[15] Aus demselben Grund ermöglicht der Umstand, dass es
im vorgelagerten Netz eine Entnahmestelle im Sinne von § 2
Nr. 6 StromNEV geben muss, aus der Energie in das nachge-
lagerte Netz eingespeist wird, ebenfalls keine eindeutige
Schlussfolgerung. § 2 Nr. 6 StromNEV sieht eine Entnahme
nicht nur durch Letztverbraucher und nachgelagerte Netz-
oder Umspannebenen vor, sondern auch durch Weiterver-
teiler.
[16] c) Aus der Entstehungsgeschichte von § 18 StromNEV
ergeben sich ebenfalls keine eindeutigen Hinweise.
[17] Hierbei kann offen bleiben, ob und in welchem Umfang
der Verordnungsgeber die Regelung aus der Verbändever-
einbarung II plus aufgreifen wollte. Nach den Feststellungen
des Beschwerdegerichts knüpfte auch diese Vereinbarung an
die Einsparung von Netzentgelten in vorgelagerten Netzebe-
nen an und warf mithin vergleichbare Auslegungsfragen auf.
Selbst wenn der Verordnungsgeber diese Regelung hätte un-
verändert übernehmen wollen, stellte sich die für die Ent-
scheidung des Streitfalls relevante Frage mithin in gleicher
Weise.
[18] Der in der Anlage der Verbändevereinbarung enthalte-
nen Definition des Begriffs »Netzbereich« kommt ebenfalls
keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Die Stromnetzent-
geltverordnung verwendet diesen Begriff nicht. Sie enthält
auch keine Definition des in § 2 Nr. 10 und 12 StromNEV ver-
wendeten Begriffs »Bereich«. Angesichts dessen kann nicht
ohne weiteres angenommen werden, dass der Verordnungs-
geber die früher geltende Regelung in jeder Hinsicht unver-
ändert übernehmen wollte.
[19] d) Dass der Begriff »vorgelagerte Netzebene« nicht
allein anhand der eingesetzten Spannung zu bestimmen ist,
ergibt sich, wie das Beschwerdegericht zu Recht entschieden
hat, aus dem Sinn und Zweck von § 18 Abs. 1 StromNEV.
[20] aa) § 18 Abs. 1 StromNEV dient dem Zweck, dem Betrei-
ber einer dezentralen Erzeugungsanlage die Vorteile zukom-
men zu lassen, die der Netzbetreiber infolge der dezentralen
Einspeisung durch Vermeidung von Entgelten für die Nut-
zung vorgelagerter Netze erzielt.
[21] In der Begründung des Verordnungsentwurfs wird aus-
geführt, die dezentrale Einspeisung elektrischer Energie ver-
ursache unmittelbar eine Reduzierung der Entnahme aus der
vorgelagerten Netz- oder Umspannebene. Dies habe kurz-
fristig zur Folge, dass aus Sicht des Netzbetreibers, in dessen
Netz- oder Umspannebene dezentral eingespeist werde, der
von ihm zu tragende Anteil der Kosten des vorgelagerten
Netzes sinke, der von den übrigen entnehmenden Netzkun-
den zu tragende Anteil hingegen steige. Mittel bis langfristig
könne die dezentrale Einspeisung tendenziell zu einer Re-
duzierung der erforderlichen Netzausbaumaßnahmen in den
vorgelagerten Netzebenen und damit zu geringeren Gesamt-
netzkosten führen. Zur Abgeltung dieses Beitrags zur Netz-
kostenverminderung werde Betreibern von dezentral ein-
speisenden Erzeugungsanlagen ein Entgelt gezahlt (BR-
Drucks. 245/05 S. 39).
[22] Diese Ausführungen beziehen sich zwar überwiegend
auf Netz- und Umspannebenen. Die wesentlichen Effekte,
die den Verordnungsgeber zu der Regelung bewogen haben,
– ein geringerer Anteil des Netzbetreibers an den Kosten des
vorgelagerten Netzes und eine tendenziell geringere Belas-
tung des vorgelagerten Netzes – treten grundsätzlich aber
auch dann ein, wenn der Anschluss an das vorgelagerte Netz
auf derselben Ebene erfolgt.
[23] bb) Der von der Rechtsbeschwerde aufgeworfenen Fra-
ge, ob dezentrale Einspeisung mittel- oder langfristig tatsäch-
lich zu einer Kostensenkung führt, kommt vor diesem Hinter-
grund keine ausschlaggebende Bedeutung zu.
[24] Die Rechtsbeschwerde sieht die Gefahr, dass die Betrei-
ber vorgelagerter Netze zu einer Reduzierung von Ausbau-
maßnahmen nicht in der Lage sein werden, weil sie Vorsorge
für einen Ausfall der dezentralen Erzeugungsanlagen treffen
müssen. Diese Gefahr besteht indes ebenfalls grundsätzlich
unabhängig davon, ob das vorgelagerte Netz zu derselben
oder zu einer höheren Ebene gehört. Sie kann es deshalb
nicht rechtfertigen, bei der Bemessung des Entgelts zwischen
diesen beiden Konstellationen zu differenzieren.
[25] e) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist
eine abweichende Beurteilung nicht aus Gründen der Gleich-
behandlung geboten.
[26] Die in § 18 Abs. 1 StromNEV vorgegebene Berech-
nungsweise hat allerdings zur Folge, dass die Höhe des Ent-
gelts von den individuellen Gegebenheiten des jeweiligen
Netzes abhängt. Dies ist indes schon deshalb sachgerecht,
weil die Netzkosten generell durch Besonderheiten des je-
weiligen Netzes geprägt sind. Angesichts dessen fließt einem
Anlagenbetreiber, dessen Einspeisung in besonders hohem
Umfang zur Vermeidung von Netzentgelten führt, entgegen
der Auffassung der Rechtsbeschwerde kein ungerechtfertig-
ter Vorteil zu. Es entspricht vielmehr dem Zweck von § 18
Abs. 1 StromNEV und der vom Verordnungsgeber vorgege-
benen Berechnungsweise, wenn die erzielten Einsparungen
nicht der Gesamtheit der Netzbetreiber zukommen, sondern
dem Anlagenbetreiber, auf dessen Einspeisung sie beruhen.
[27] Die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene Frage, ob
das Entgelt für dezentrale Einspeisung in bestimmten Kon-
stellationen sogar höher sein kann als die vermiedenen Ent-
gelte für die Nutzung vorgelagerter Netz- oder Umspann-
ebenen, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Selbst wenn
sie zu bejahen wäre, ergäbe sich daraus für die hier zu beur-
teilende Konstellation nicht, dass das Entgelt für die Einspei-
sung geringer sein muss als die vermiedenen Netzentgelte.
[28] f) Die von der Bundesnetzagentur in der mündlichen
Verhandlung aufgeworfene Frage, ob die vorgelagerte Netz-
oder Umspannebene im Zusammenhang mit der Festlegung
von Entgelten für singulär genutzte Betriebsmittel gemäß
§ 19 Abs. 3 Satz 4 StromNEV zwingend eine höhere Ebene
sein muss als die Ebene, zu der die singulär genutzten Be-
triebsmittel gehören, bedarf im vorliegenden Zusammenhang
keiner Entscheidung.
[29] Aus dem oben aufgezeigten Zweck des § 18 Abs. 1 Satz
2 StromNEV ergibt sich, dass die vorgelagerte Netzebene im
Sinne dieser Vorschrift nicht zwingend eine höhere Ebene
sein muss. Dies schließt nicht aus, dass die entsprechende
Frage im Zusammenhang mit § 19 Abs. 3 Satz 4 StromNEV
aufgrund einer möglicherweise abweichenden Zielsetzung
dieser Vorschrift anders zu entscheiden ist. Wenn § 19 Abs. 3
Satz 4 StromNEV einem anderen Zweck dient, können aus
der Auslegung dieser Vorschrift aber auch keine Rückschlüs-
se für die Auslegung von § 18 Abs. 1 Satz 2 StromNEV ge-
zogen werden.
[30] 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 Satz 2 EnWG,
die Festsetzung des Gegenstandswerts auf § 50 Abs. 1 Satz 1
Nr. 2 GKG und § 3 ZPO.
HEFT 1 2018
VERSORGUNGSWIRTSCHAFT
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