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Vollständig automatisch erstellter Gebührenbescheid

25.09.2025 Ein Bremer Bürger klagte gegen seinen Abfallgebührenbescheid der Stadt, weil der Bescheid entgegen der Datenschutz- Grundverordnung (DSGVO) rein automatisiert erstellt wurde. Das verstoße gegen Art. 22 Abs. 1 DSGVO, wie das Verwaltungsgericht (VG) Bremen mit Urteil vom 14.07.2025 – 2 K 763/23 entschieden hat. Da sich aber im Widerspruchsverfahren eine Sachbearbeiterin mit dem Bescheid befasst habe, sei dieser Mangel nachträglich geheilt worden und der Bescheid damit wirksam. Die Gebühren des Widerspruchsverfahrens musste der Betroffene damit nicht tragen.

Wegen seiner Abfallabrechnung in Höhe von knapp 200 € zog ein Bürger vor Gericht. Er machte geltend, die Stadt habe seine Daten widerrechtlich vollautomatisch verarbeitet, und damit gegen Europarecht – genauer gegen Art. 22 DSGVO („Automatisierte Entscheidungen im Einzelfall […]“) verstoßen. Eine automatisierte Entscheidung im Einzelfall liegt vor, wenn ausschließlich die Ergebnisse eines Algorithmus darüber entscheiden, ob ein Antrag genehmigt oder abgelehnt wird, ohne dass ein Mensch das Resultat geprüft hat. Dabei ist es unerheblich, ob der Antrag online oder klassisch auf Papier erfolgt. Seinen Widerspruch hatte die Stadt zunächst zu- rückgewiesen: Es liege schon keine „Entscheidung“ im Sinne des Art. 22 DSGVO vor, da anhand der festen Gebührenordnung lediglich programmgestützte Berechnungen vorgenommen würden.

Dem Grunde nach stimmte das Gericht den Ausführungen des Klägers zu: Der Bescheid sei als „automatische Entscheidung“ im Sinne der DSGVO anzusehen. Diese Vorschrift solle „die betroffene Person vor sie beschwerenden Entscheidungen schützen, die ausschließlich auf einer automatisierten Verarbeitung beruhen.“ Eine solche liege vor, sobald maschinell verarbeitete Daten computergestützt zu einem Ergebnis führten, das nicht einem Menschen zuzurechnen sei. Es messe sich also daran, ob die „Entscheidung“ letztlich von einem Menschen getroffen werde.

Dass die Daten zuvor manuell von Mitarbeitenden aufgenommen wurden, sei dafür irrelevant. Auch habe die Stadt hier ohne Erfolg entgegengehalten, die Erstellung der Bescheide sei immerhin durch menschliches Zutun initialisiert worden. Ebenso wenig überzeugte das Gericht das Argument, dass die Bescheide stichprobenartig von Menschen überprüft würden. Es sei „stochastisch nahezu ausgeschlossen“, dass der Bescheid des Klägers dabei gewesen sei.

Obwohl der Bescheid zumindest anfänglich rechtswidrig gewesen sei, verwarf ihn die Kammer im Ergebnis nicht. Hier sei zwar nicht der Ausgangs-, wohl aber der Widerspruchsbescheid von einem Menschen gefertigt worden. Da Ausgangs- und Widerspruchsverfahren im verwaltungsrechtlichen Sinne eine Einheit bilden würden (Ausgangsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids), sei damit auch eine „Entscheidung“ über den Ursprungsbescheid getroffen worden, die eben nicht automatisiert sei. Der formelle Mangel des Bescheids sei somit geheilt worden – eine Ansicht, die im Übrigen auch nicht gegen Unionsrecht verstoße. Der Widerspruch diene als Rechtsbehelf gerade dazu, eine menschliche Entscheidung herbeizuführen. Darüber hinaus könne (und müsse) er gerichtlich dann keine Rechtsverletzung mehr geltend machen – es stünde ihm aber weiterhin offen, eine Beschwerde an die Aufsichtsbehörde zu richten (Art. 77 DSGVO).

Das Gericht wies weiter darauf hin, dass die Verwaltungsverfahrensgesetze grundsätzlich automatisch generierte Abfallbescheide ermöglichten. Voraussetzung sei aber eine weitere Ermächtigung, die es bisher in Bremen noch nicht gebe.

– MS –

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