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Wassercent in Wiesbaden rechtens?

09.04.2025 Das Verwaltungsgericht (VG) Wiesbaden hat einer Klage der Stadt Wiesbaden gegen eine Beanstandung der Kommunalaufsicht im Hessischen Ministerium des Innern, für Sicherheit und Heimatschutz (HMdI), stattgegeben: die Stadt darf eine Steuer auf Wasserverbrauch einfuhren – so das VG mit Urteil vom 09.04.2025 – 7 K 941/24. WI. Die Stadt Wiesbaden darf danach den sog. „Wassercent“ erheben – ein zusätzliches Entgelt zu den Wassergebühren.

Neben der Wassergebühr sollten die Bürger der Stadt zusätzliche Wasserverbrauchsteuer von 90 Cent pro 1.000 l Trinkwasser zahlen. Dadurch erhofft sich die Stadt rund 16 Mio. € Mehreinnahmen. Eingenommen wird der Wassercent von den lokalen Wasserversorgungsunternehmen, also bei den einzelnen Wasserverbrauchern zusätzlich zu den regulären Gebühren und Entgelten, die diese Einnahmen dann an die Stadt abführen. Zweck der Steuer ist neben der Finanzierung des kommunalen Haushalts die Schaffung von Anreizen zum sparsamen Umgang mit Wasser. In Wiesbaden selbst führe die Trockenheit, so die Stadt, zu spür- und messbaren negativen Veränderungen der lokalen Ökosysteme. In den vergangenen fünf Jahren habe die Landeshauptstadt Wiesbaden in den Sommermonaten die Wasserentnahme aus Bächen und Seen untersagen müssen. Die Wasserverbrauchsteuer sei ein gezielter Anreiz für einen sorgsamen Umgang mit der Ressource Wasser und für einen aktiven Klimaschutz und zur Bewältigung der Folgen des Klimawandels notwendig.

Das HMdI hielt die Erhebung der Steuer für rechtswidrig, es sei ein Versuch, mit dem Wassercent die kartellrechtlichen Vorgaben für die Preisgestaltung von Wasserentgelten und -gebühren zu umgehen. Die Besteuerung eines lebensnotwendigen Guts wie Trinkwasser sei mit grundlegenden Menschenrechten nicht vereinbar. Die Einführung der Steuer treffe insbesondere einkommensschwache Haushalte und Familien über der Grenze zum Bezug von Transferleistungen und sei insgesamt nicht geeignet, den verfolgten Lenkungszweck zu erfüllen.

Das VG halt dagegen die Erhebung einer Wasserverbrauchsteuer für rechtskonform. Dass lebensnotwendige Güter wie Trinkwasser nicht besteuert werden dürfen, sei kein geltender Rechtsgrundsatz, wie das Beispiel der Umsatzsteuer zeige. Die Höhe der Steuer sei hoch genug, um Lenkungseffekte zu erzielen, ohne aber zu einer erdrosselnden Wirkung zu führen. Dass eine Steuer einkommensschwache Haushalte stärker belaste, sei auch bei jeder anderen Besteuerung der Fall und stehe der Erhebung der Wasserverbrauchsteuer nicht entgegen. Eine Umgehung der kartellrechtlichen Preiskontrolle finde nicht statt, weil die Steuer dem Haushalt der Stadt zugutekomme, während Wasserentgelte und -gebühren unmittelbar den Wasserversorgern zuflössen.

Das Grundgesetz eröffnet den Ländern grundsätzlich die Möglichkeit, sogenannte örtliche Verbrauchsteuern zu einzuführen (Art. 105 Abs. 2a GG). Über die Kommunalabgabengesetze der Länder kann diese Kompetenz auf die Kommunen übertragen werden. Davon hat die Stadt Wiesbaden mit ihrer Wasserverbrauchsteuersatzung Gebrauch gemacht. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Kammer hat die Berufung zum Hessischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen, weil es sich bei der Zulässigkeit einer kommunalen Wasserverbrauchsteuer um eine grundlegende Frage handele, die von der Rechtsprechung noch nicht entschieden worden ist. Das beklagte Land Hessen kann die Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils einlegen.

– MS –

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