Titel: Zulässigkeit des Kriteriums der Preisgünstigkeit bei der Konzessionsvergabe zum Betrieb eines Gasversorgungsnetzes durch die Gemeinde
Behörde / Gericht:
Oberlandesgericht Karlsruhe (mit Außenstelle in Freiburg im Breisgau) (Baden-Württemberg)
Datum: 12.06.2024
Aktenzeichen: 6 U 222/23
Gesetz: GWB, EnWG
Artikeltyp:
Rechtsprechung
Kategorien:
Vergaberecht
Dokumentennummer:
25088769
Zulässigkeit des Kriteriums der Preisgünstigkeit bei der Konzessionsvergabe zum Betrieb eines Gasversorgungsnetzes durch die Gemeinde
– OLG Karlsruhe, Urteil vom 12.06.2024 – 6 U 222/23 –
Leitsätze der Redaktion:
- Eine (drohende) unbillige Behinderung von Bewerbern ist aufgrund der gebotenen Gesamtwürdigung grundsätzlich dann anzunehmen, wenn das Auswahlverfahren gegen die kartellrechtlichen Pflichten der Gemeinde verstößt, und dadurch die Chancen der Bewerber auf die Konzession beeinträchtigt werden. Dementsprechend ist es Gemeinden als Anbieter der Wegenutzungsrechte in ihrem Gebiet untersagt, ihre marktbeherrschende Stellung durch unbillige Behinderung der Bewerber um den Abschluss eines Konzessionsvertrags missbräuchlich auszunutzen. Sie sind vielmehr verpflichtet, den Konzessionär für den Betrieb eines Energieversorgungsnetzes in einem diskriminierungsfreien Wettbewerb auszuwählen.
- Die Auswahl muss in einem transparenten Verfahren erfolgen und ist vorrangig an Kriterien auszurichten, die das Ziel des § 1 Abs. 1 EnWG (Gewährleistung einer sicheren, preisgünstigen, verbraucherfreundlichen, effizienten, umweltverträglichen und treibhausgasneutralen leitungsgebundenen örtlichen Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas, die zunehmend auf erneuerbaren Energien beruht) konkretisieren. Dabei beziehen sich die genannten Zielvorgaben im Rahmen der zu treffenden Auswahl des Konzessionärs im Gemeindegebiet also auf die örtliche Versorgung; der Betrieb eines Strom- oder Gasnetzes soll in dem betroffenen örtlichen Bereich zur Erreichung des Ziels führen.
- Bei der Formulierung und Gewichtung der Auswahlkriterien für die Konzessionsvergabe steht der Gemeinde ein weiter Spielraum zu. Dieser Spielraum der Gemeinde ist nur daraufhin überprüfbar, ob von keinem unzutreffenden oder unvollständigen Sachverhalt ausgegangen worden ist, keine sachwidrigen Erwägungen eingeflossen sind, der Spielraum diskriminierungsfrei wahrgenommen worden ist und sich Wertungsentscheidungen auch im Übrigen im Rahmen der Gesetze und allgemein gültigen Beurteilungsmaßstäbe halten. Die Zuschlagskriterien der Gemeinde müssen danach insbesondere objektiv und ohne Unterschied auf alle Angebote anwendbar sein und einen Bezug zum Netzbetrieb haben bzw. die netzwirtschaftlichen Anforderungen wahren. Demnach ist es zumindest sachgerecht, die Auswahl des Netzbetreibers unter anderem an dem Ziel auszurichten, zumindest möglichst geringe Netznutzungsentgelte für das Konzessionsgebiet und möglichst geringe Netzanschlusskosten für Letztverbraucher im ausgeschriebenen Konzessionsgebiet zu erreichen.
- Die Kommune ist unter anderem verpflichtet, im Konzessionsvergabeverfahren denjenigen Netzbetreiber zu bestimmen, der für die im Gemeindegebiet betroffenen Netzkunden eine möglichst preisgünstige Versorgung bietet.
- Auslegung und Anwendung von §§ 1, 46 EnWG, § 19 GWB, wonach es bei der Neuvergabe der Wegenutzungsrechte für den Betrieb des Gasversorgungsnetzes der allgemeinen Versorgung im Sinn von § 46 Abs. 2 EnWG zulässig ist, dass die Gemeinde mit einem Auswahlkriterium „Preisgünstige Versorgung“ ein Angebot umso besser bewertet, je niedriger die prognostizierten Netznutzungsentgelte und Netzanschlusskosten jeweils betreffend das kommunale Netzgebiet sind, widersprechen zweifelsfrei und offensichtlich nicht Europäischem Recht.
- Das Auswahl- und Bewertungskriterium der „Preisgünstigkeit“ widerspricht nicht der Alleinzuständigkeit der Bundesnetzagentur, die Netznutzungsentgelte und Netzanschluss- und Zugangsbedingungen festzulegen hat.
Bitte das Urteil über unten stehenden Link öffnen.