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Titel: Billiges Ermessen, Automatikklauseln, »gespaltene« Preisanpassungsklauseln
Datum: 01.08.2016
Artikeltyp: Aufsätze
Kategorien: Energie(wirtschafts)recht, Gebühren- und Beitragsrecht; Strom- und Gastarife; Netzentgelte, Zivilrecht
Dokumentennummer: 16003919 ebenso Versorgungswirtschaft 8/2016, Seite 235

Billiges Ermessen, Automatikklauseln, »gespaltene« Preisanpassungsklauseln

- von Rechtsanwalt Michael Brändle, Freiburg -*

Lieferanten vorformulierten Energielieferungsverträgen mit Verbrauchern findet man in unterschiedlicher Ausgestaltung immer wieder Klauseln, in denen sich der Lieferant das Recht ausbedingt, die Veränderungen von Umlagen und/oder Netzentgelten automatisch an den Kunden „weiterzugeben“. Bezüglich dieser Preiskomponenten soll nach diesen Klauseln die Ausübung billigen Ermessens entbehrlich sein. Teilweise gehen diese Klauseln so weit, dass dem Kunden die hieraus resultierende Preisanpassung noch nicht einmal mitzuteilen ist. Das Sonderkündigungsrecht wird entweder nicht angesprochen oder sogar ausdrücklich ausgeschlossen. Diese Klauseln sind mit dem geltenden Recht nicht zu vereinbaren. Sie sind deshalb gegenüber Verbrauchern unwirksam, d.h. der Verbraucher ist nicht verpflichtet, den auf der Grundlage einer solchen Klausel erhöhten Preis zu bezahlen. Sie können überdies von Mitbewerbern oder qualifizierten Verbänden wettbewerbsrechtlich angegriffen werden.

1. Energielieferungsverträge mit Verbrauchern

Dieser Beitrag beschäftigt sich ausschließlich mit Energielieferungsverträgen mit Verbrauchern außerhalb der Grundversorgung. Die Begriffe „Verbraucher“ im Sinne des allgemeinen Zivilrechts und „Haushaltskunde“ im Sinne des Energiewirtschaftsrechts sind dabei auseinanderzuhalten Im allgemeinen Zivilrecht ist die Unterscheidung zwischen „Verbraucher“ und Nicht-Verbraucher von zentraler Bedeutung. „Verbraucher“ ist jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können. Schädlich ist seit Neufassung der Norm zum 13.06.2014 nur noch ein überwiegend gewerblicher Zweck. Wird gleichrangig oder untergeordnet auch ein gewerblicher Zweck verfolgt, verbleibt es bei der Verbrauchereigenschaft. Den Begriff des Verbrauchers versteht der Bundesgerichtshof eher weit. (….)

4. Automatikklauseln und „gespaltene“ Klauseln

Gegenstand der nachfolgenden Betrachtung sind AGB-Regelungen bei denen sich der Lieferant - zusätzlich und außerhalb der „normalen“ Preisanpassung - das Recht ausbedingt, Änderungen von gesetzlichen Abgaben, Steuern und Umlagen „weiterzugeben“. Es gibt am Markt auch weiter zugespitzte Formen, in denen selbst eine „Preisgarantie“ auf alle Preisbestandteile beschränkt wird, die nicht „hoheitlich festgelegt“ sind. Teilweise ist überdies - anders als bei „normalen“ Preisanpassungen - weder eine vorherige Information des Kunden vorgesehen, noch wird ein Sonderkündigungsrecht eingeräumt.1 Nach der Vorstellung dieser Lieferanten soll eine solche Preisänderung also sozusagen „automatisch“ eintreten und bei manchen Ausgestaltungen für den Kunden - mangels vorheriger Information - sogar erst aus der Schlussrechnung ersichtlich sein.

Derartige Klauseln halten bereits im Ansatz näherer rechtlicher Prüfung nicht stand,2 wie eine Prüfung anhand des § 315 BGB zeigt.

* Der Autor ist spezialisierter Rechtsanwalt, Autor und Dozent für Energierecht in Freiburg und Lehrbeauftragter für Energierecht an mehreren Hochschulen. Im Januar 2016 ist in der Online-Bibliothek des Verlags VersorgungsWirtschaft sein Werk »Energie-Zivilrecht« erschienen.

1 Entsprechende Regelungen finden sich im Sachverhalt (Rn. 28-38) der Entscheidung LG Düsseldorf, Urteil vom 22.10.2015 - 14d O 4/15, VersorgW 2016, 82, DokNr. 16001579. Dort sollte der Kunde aber immerhin - aber ohne Zeitangabe - informiert werden.

2 a.A. offenbar Held/Richard, VersorgW 2016, 82, 83, DokNr. 16003780, welche auf § 315 BGB allerdings nicht eingehen.

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