Online-Forum für Betriebswirtschaft, Wirtschaftsrecht und Steuerrecht der Versorgungs- und kommunalen Unternehmen
Titel: Verspätete Angebote – a never ending story
Datum: 01.06.2012
Artikeltyp: Aufsätze
Kategorien: Vergaberecht, Wettbewerbs-/Kartellrecht
Dokumentennummer: 12001694 ebenso Versorgungswirtschaft 6/2012, Seite 145

Verspätete Angebote – a never ending story

Abstract

Immer wieder kommt es zwischen Vergabestellen und Bietern zu Kontroversen über die Behandlung von verspäteten Angeboten. In ihrem Beitrag Verspätete Angebote – a never ending story weist Rechtsanwältin Susanne Müller-Kabisch anhand der einschlägigen Rechtsprechung darauf hin, dass das Risiko des rechtzeitigen Angebotseingangs in der Vergabestelle im Wesentlichen bei den Bieterunternehmen liegt. Anhand eines Beispiels aus der Praxis erläutert die Autorin die rechtliche Beurteilung, wenn der Bieter sich bei der Abgabe des Angebots eines Kuriers bedient und die Vergabestelle ihrerseits bei der Entgegennahme der Angebote Empfangsvertreter oder Empfangsboten einschaltet. Insbesondere rät die Autorin, von einer „vorauseilenden“ Angebotsabgabe beim Sicherheitsdienst der Vergabestelle - etwa am Wochenende vor Abgabetermin - abzusehen.


Leseprobe

- von Rechtsanwältin Susanne Müller-Kabisch, Ernst & Young Law GmbH, Eschborn/Frankfurt a.M. -

Immer wieder kommt es zwischen Vergabestellen und Bietern zu Kontroversen über die Behandlung von verspäteten Angeboten. Vielfach ist den Bieterunternehmen nicht bewusst, dass das Risiko des rechtzeitigen Angebotseingangs in der Vergabestelle im Wesentlichen bei ihnen liegt. Den Vergabestellen wiederum sind im Fall des verspäteten Eingangs von Angeboten die Hände gebunden. Auch das attraktivste Angebot muss zwingend bereits auf der ersten Prüfungsstufe ausgeschlossen werden, wenn es verspätet bei der Vergabestelle eintrifft. Sowohl für die Vergabestelle als auch für das Bieterunternehmen stellen verspätete Angebote daher ein Ärgernis dar. Rechtlich kompliziert wird es erst recht dann, wenn der Bieter sich bei der Abgabe des Angebots eines Kurier- oder Zustelldienstes bedient und die Vergabestelle ihrerseits bei der Entgegennahme der Angebote Empfangsvertreter oder Empfangsboten einschaltet. Dazu ein Fall aus der Praxis:

Sachverhalt

Die Vergabestelle hatte die Vergabe von Beratungsleistungen in einem europaweiten Verhandlungsverfahren (VOF) bekannt gemacht. Nach Beendigung des Teilnahmewettbewerbs forderte die Vergabestelle fünf Bieterunternehmen zur Abgabe eines schriftlichen Angebots auf. In ihrer Angebotsaufforderung setzte sie allen Bietern einheitlich eine Angebotsfrist bis zum Montag, den 10.10.2011, 10.00 Uhr. Die Vergabestelle hatte in ihrer Angebotsaufforderung auch noch folgende Hinweise zur Angebotsabgabe gegeben:

„ … Angebote, die nach Ablauf der Frist eingereicht werden, können nur berücksichtigt werden, wenn der Bieter die Umstände für den verspäteten Eingang nicht zu vertreten hat. Der Bieter hat sicherzustellen, dass über Zustell- oder Kurierdienste versendete Angebote innerhalb der Angebotsfrist beim Auftraggeber eingehen. Ein Verschulden der Zustell- oder Kurierdienste wird dem Bieter zugerechnet“.

Ein Bieterunternehmen erkundigte sich bei der Vergabestelle im Vorfeld telefonisch, ob die Abgabe des Angebots auch schon am Sonnabend zuvor möglich sei. Der Mitarbeiter der Vergabestelle teilte daraufhin mit, dass auch eine Abgabe des Angebots am Wochenende beim Sicherheitsdienst, der auch an den Wochenenden das Gebäude der Vergabestelle rund um die Uhr bewachen würde, möglich sei. Der vom Bieterunternehmen mit der Abgabe des Angebots beauftragte Kurierdienst traf jedoch am Sonnabend bei der Vergabestelle weder den Sicherheitsdienst noch sonst jemanden an, dem er das Angebot hätte übergeben können. Aus dem Zustellprotokoll geht hervor, dass der Kurierdienst am Sonnabend zweimal vergeblich versucht hatte, das Angebot abzugeben. Am nächsten Montag gab der Kurierdienst das Angebot schließlich um 10.52 Uhr in der Warenannahme der Vergabestelle ab. Der Kurierdienst war vom beauftragenden Bieterunternehmen über das Ende der Angebotsfrist am Montag um 10.00 Uhr nicht informiert worden. Die Vergabestelle schloss das Angebot daraufhin wegen Verspätung vom weiteren Verfahren aus.

Kein Ermessen der Vergabestelle bei verspäteten Angeboten

Durch die in der Angebotsaufforderung gegenüber allen Bietern einheitlich getroffene Vorgabe für die Angebotsfrist (Montag, den 10.10.2011, 10.00 Uhr) hatte sich die Vergabestelle selbst für das gesamte weitere Verfahren gebunden. Sie hatte demnach verspätete Angebote - ohne jeden Handlungs- und Ermessensspielraum - zwingend auszuschließen. …

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